Oldenburg ehrt den Filmemacher und legendären Musikproduzenten James William Guercio und sein visionäres, singuläres Filmwerk „Electra Glide in Blue"

Bei seiner Veröffentlichung 1973 missverstanden und als reaktionärer Gegenentwurf zu „Easy Rider“ verunglimpft, ist Guercios einziger Film inzwischen im Kanon großer künstlerischer Kinowerke aufgenommen. Ein Kultfilm im besten Sinne, dessen differenzierte Haltung zwischen John Fords Americana und der Counter Culture der 70er Jahre Guercios filmisches Werk zu einer Singularität von grandioser Schönheit macht.
James William Guercio wurde im Juli 1945 in Chicago, Illinois, geboren. Nach seinem Studium der klassischen Komposition ging er nach Los Angeles, wo er als Studiomusiker und Songwriter arbeitete, bevor er festangestellter Produzent bei Columbia Records wurde, wo er an Frank Zappas Debütalbum „Freak Out!“ mitwirkte. Er produzierte mehrere Alben für die Band The Buckinghams und 1969 das zweite Album für Blood, Sweat & Tears. Die Platte gewann 1969 den Grammy für das Album des Jahres und schlug damit „Abbey Road“ von den Beatles aus dem Rennen.
Guercio ist vor allem für seine bahnbrechende Arbeit mit Chicago bekannt. In einer langjährigen Partnerschaft definierte er das Rockgenre neu, indem er Jazz, Rock und blasinstrumentenbetonte Melodien miteinander verband. Er schrieb, arrangierte und produzierte elf Alben und verhalf der Band zu 24 Top-40-Hits. In seinem legendären Caribou Ranch Studio in Colorado nahm er Künstler wie Chicago, Phil Collins, Earth, Wind and Fire, Billy Joel, Elton John, John Lennon, die Beach Boys, Supertramp, Michael Jackson und U2 auf. Im Laufe seiner Musikkarriere gewann er zwei Grammys und wurde 36 Mal für einen Grammy nominiert.
Und während er in der Musikbranche aufstieg, wagte er sich auf unbekanntes Terrain: Hollywood. Mit 27 Jahren produzierte und inszenierte er für die United Artists „Electra Glide in Blue“. Der unerfahrene Guercio setzte die umstrittene Besetzung seines Hauptdarstellers Robert Blake durch und holte mit Einsatz seiner eigenen Gage den späteren Oscargewinner Conrad Hall als Kameramann an Bord.
„Electra Glide in Blue“ war der amerikanische Beitrag bei den Filmfestspielen von Cannes 1973, wurde für die Goldene Palme nominiert und bescherte seinem Hauptdarsteller Robert Blake eine Golden-Globe-Nominierung. Kritiker griffen den Film wegen seiner Nähe zu Dennis Hoppers „Easy Rider“ an. Guercios „Cops on a Bike“ wurde zu leicht als konservative Antwort auf Hoppers „Hippies on a Bike“ missverstanden, um eine differenzierte Sicht auf dieses Roadmovie zu ermöglichen.
Das Time Magazine beispielsweise schrieb 1973 fast gehässig: „Das Ergebnis könnte man wohlwollend als dissonant bezeichnen. Selbst ein Plattenproduzent hätte das erkennen können.“ – und kam dann 2012, als der Film inzwischen Kultstatus erlangt hatte, zu folgendem Urteil: „Ein vernachlässigter Kultklassiker (…) ein eigenwilliger, aber unvergesslicher Film – teils Charakterstudie, teils Untersuchung einer aufkommenden Jugendkultur – mit herausragender Kameraarbeit des späteren Oscar-Preisträgers Conrad Hall.“
Die Schlussszene vor der Kulisse des Monument Valley gilt längst als einer der ikonischsten Momente des amerikanischen Kinos – der perfekte Abschluss eines Roadmovies ohne Bewegung, der die typisch amerikanische Idee der Frontier ein für alle Mal zerstört.
Das Internationale Filmfest Oldenburg präsentiert „Electra Glide in Blue“ im Rahmen des diesjährigen Festivals. James William Guercio ist vom 10. bis 13. September in Oldenburg zu Gast.