Tribute Don Keith Opper

Im dunklen Spiegel

Es gab einmal eine Zeit in Hollywood, in der wirtschaftliche und künstlerische Interessen zwar nicht vollkommen miteinander harmonierten, aber doch mehr oder weniger Hand in Hand gegangen sind. Das war das legendäre Goldene Zeitalter, das sich von den 1920er bis in die späten 1940er Jahre erstreckte. Geprägt wurde diese Ära vom »Genius of the System«, wie es der Filmhistoriker Thomas Schatz so treffend formu
liert hat. Diese »Genialität des Systems« basierte vor allem auf der Kooperation aller an der Filmproduktion Beteiligten. Das Ganze war größer als die Summe seiner Teile. Doch dieser Gedanke ist nach dem Ende der großen Studioära mehr und mehr ins Hintertreffen geraten und letztlich in den 1980er Jahren, nach dem Ende der New Hollywood-Ära, zu Grabe getragen worden. Seither bestimmt allein das Geschäftsdenken das Hollywood-System. Dafür musste das Kino allerdings einen hohen Preis bezahlen und mit ihm so eigenwillige und geniale Künstler wie Don Keith Opper.

Mit seinen Auftritten in Filmen wie Aaron Lippstadts »Android« (1982) und Wayne Wangs »Slam Dance« (1987) sowie seiner wiederkehrenden Rolle in allen vier Teilen der »Critters«-Reihe hat sich Don Opper zwar
seinen Platz in der Geschichte des subversiven Genre- und Low Budget-Kinos der 1980er und 1990er Jahre gesichert. Doch als Drehbuchautor hat er nie die Aufmerksamkeit erfahren, die ihm ohne Zweifel gebührt. Er hat »Android« und »Slam Dance« als Autor ebenso nachdrücklich geprägt wie durch sein Schauspiel – wenn nicht sogar noch mehr. So unterschiedlich diese beiden Filme auch sind, zeugen sie doch von einer ganz eigenen Sensibilität für Genregeschichten, die einen tiefer und tiefer in existentielle Fragestellungen hinein
ziehen, ohne dabei die Konventionen des Genres zu vergessen oder zu missachten.

Don Oppers Drehbücher führen einen direkt ins Goldene Zeitalter Hollywoods zurück. Sie wecken Erinnerungen an die vielen kleinen B-Movie-Meisterwerke, die von den großen Studios in den 1930er und 40er Jahren produziert wurden. Man denkt unwillkürlich an einen Autoren Curt Siodmak, der eine ganze Reihe von unvergesslichen Filmen für Studios wie Universal und RKO geschrieben hat, Filme wie »I Walked with a Zombie« (1943) und »Berlin Express« (1948) oder »The Wolf Man« (1941) und »The Beast with Five Fingers« (1946). Don Opper und sein Bruder, der Produzent Barry Opper, stehen mit ihren Arbeiten eindeutig in der Tradition der kleineren Studioproduktionen des klassischen Hollywood-Kinos. All die Filme, die von ihrer gemeinsamen Produktionsgesellschaft SHO entwickelt und realisiert wurden, stehen für eine Art von Genrearbeiten und Low Budget-Produktionen, die gerade in den 1980er Jahren mehr aus der Mode gekommen sind.

»Android« und »Slam Dance« fallen ebenso wie die »Critters«-Filme aus der Masse der Genreproduktionen der 1980er Jahre heraus. Sie sind weitaus sorgfältiger produziert und viel raffinierter als ähnliche Arbeiten. In einem
Interview hat der 1949 in Chicago geborene Don Opper, der, bevor er Ende 1970er nach Hollywood gegangen ist, in der Chicagoer Theaterszene aktiv war, einmal gesagt, »Ich bin das Produkt von allem, was ich einmal gesehen oder gelesen habe.« Und genau dieses Wissen um Filme und Romane, Theaterstücke und Erzählungen erfüllt auch seine Drehbücher.

Oppers Adaption von Fjodor Dostojewskis 1846 erstmals veröffentlichter Erzählung »Der Doppelgänger« ist zwar niemals verfilmt worden. Aber »Slam Dance« und seine Doppelrollen in den »Critters«-Filmen lassen einen erahnen, dass die Kinogeschichte mit dieser Dostojewski-Verfilmung wahrscheinlich um ein grandioses Porträt der Mentalität der 1980er Jahre reicher gewesen wäre. So bleibt es bei seinen manischen Auftritten als innerlich zerrissener Schläger und Killer in »Slam Dance«. Der von ihm gespielte Buddy ähnelt physisch Tom Hulces Protagonisten, dem Comic-Zeichner C. C. Drood derart, dass Drood am Ende Buddys Leiche als seine ausgeben und so unbehelligt mit seiner Familie untertauchen kann.

In diesem vergifteten happy ending steckt eine bittere Ironie, die durchaus typisch für Oppers künstlerische Visionen ist. Auch wenn Buddy ein Killer war und Drood ihn letztlich in Notwehr getötet hat, weiß man genau, dass der Comiczeichner in Wahrheit ein Mann ohne Eigenschaften und Gefühle ist. Einer, der am Ende alle Menschen, die ihm begegnen, zerstört und danach einfach weiterziehen wird. Tom Hulce ist in »Slam Dance « das strahlende, das trügerische Gesicht der Ära einer in Pastellfarben gehüllten Gier. In Don Oppers Spiel offenbart sich ihr wahres Antlitz.

ANDROID

AARON LIPSTADT | USA 82

Alles beginnt mit einem rührenden, schmerzlich schönen Moment der Sehnsucht. Der Androide Max 404 bastelt aus Metallteilen eine kleine Figur
mit weiblichen Rundungen. Ihr männliches Gegenstück wartet schon auf sie. Auch Max wartet. In der Isolation der Raumstation, auf der er seine Tage als Assistent von Dr. Daniels, einem von Klaus Kinski gespielten ›mad scientist‹, verbringt, verzehrt er sich nach Gesellschaft, Liebe, einem Leben auf der Erde. Als drei flüchtige Kriminelle, unter ihnen eine Frau, auf der Raumstation landen, scheint sein Traum zum Greifen nah. Aaron Lippstadts überraschend ruhiger und nachdenklicher Science-Fiction Film »Android« (1982) gehört zu den faszinierendsten Produktionen aus Roger Cormans Studio »New World Pictures«. Die genre-typischen Action- und Effektsequenzen, die Lippstadt mit viel Flair und Einfallsreichtum inszeniert hat, akzentuieren auf bestechende Weise Max Suche nach Menschlichkeit. Don Oppers einfühlsames Spiel verleiht diesem Androiden eine Aura beinahe kindlicher Neugier und Unschuld. So verwischt er eindringlich die Grenze zwischen Mensch und Maschine und hat damit den Weg für Filme wie »Ex Machina« (2014) geebnet.

CRITTERS

STEPHEN HEREK | USA 86

Joe Dantes »Gremlins« (1984) stand mit Sicherheit Pate für Stephen Hereks Horror- und Science-Fiction-Satire »Critters«. Doch Herek kopiert nicht einfach nur sein Vorbild. Er findet zu einem eigenen Ton, der den kleinen Science Fiction- und Monsterfilmen der 1950er Jahre ebenso verpflichtet ist wie den modernen B-Movies der 1980er. Die Critters. kleine pelzige und überausgefräßigen Aliens, sind aus einem intergalaktischen Hochsicherheitsgefängnis entflohen und landen ausgerechnet in einer Kleinstadt in Kansas. Aber nicht nur die immer hungrigen Pelzbälle auch ihre Verfolger, zwei extraterrestrische Kopfgeldjäger, die ihre Gestalt wandeln können, stürzen die Stadt und die Browns, eine klassische All-American-Family, ins Chaos. Stephen Hereks Regiedebüt, in dem Don Opper einen sympathischen Loser spielt, der angesichts der außerirdischen Bedrohung über sich hinauswächst, ist vor allem eine großartige Genreparodie, der man in jeder Szene ansieht, wie viel Spaß alle Beteiligten hatten. Herek und seinem Cast gelingt dabei eine wundervolle Gratwanderung. Sie werfen einen sarkastischen Blick auf das gar nicht so idyllische Kleinstadtleben in Kansas und verraten doch nie ihre Figuren.

SLAM DANCE

WAYNE WANG | USA 82

In den 1980er Jahren hat der film noir eine erstaunliche Renaissance in Hollywood erlebt. Auf der einen Seite gab es mit Bob Rafelsons »The Postman Always Rings Twice« (1981) und Taylor Hackfords »Against All Odds« (1984) aufwendige Remakes von Klassikern der ›Schwarzen Serie‹. Auf der anderen haben Lynch, Michael Mann und die Coen-Brüder mit ihren Arbeiten das Genre noch einmal neu erfunden. Doch der wildeste, innovativste und subversivste film noir jener Jahre ist Wayne Wangs »Slam Dance«. Don Oppers von Jim Thompson und Charles Dickens, Charles Willeford und Fjodor Dostojewski beeinflusstes Drehbuch schickt den von Tom Hulce gespielten Cartoonisten
C. C. Drood auf eine tiefschwarze Reise durch ein surreales L.A. korrupter Polizisten, neurotischer Killer und einer dekadenten High Society. Die irrwitzige Verschwörung, in die er gerät, erinnert an Roman Polanskis »Chinatown« (1974). Nur überzieht Don Opper seine verwickelte Geschichte mit einer Glasur von schwarzem Humor. Sein Held Drood ist nicht einmal ein Anti-Held, sondern ein zu Mitgefühl und Liebe unfähiger Jedermann, in dessen amoralischem Treiben sich die Leere und Kälte der so verlockend schillernden Reagan-Ära offenbart

CRITTERS 2 

KEN LOACH| USA 88

Vordergründig folgt Mick Garris‘ »Critters 2: The Main Course« (1988) der klassischen Logik nahezu aller Sequels. Es gibt mehr Critters, mehr Blut und spektakulärere Action-Sequenzen. Allerdings spielt die Fortsetzung während der Ostertage, und das lässt einen aufhorchen. Dass die pelzigen Monster ausgerechnet aus ihren Eiern schlüpfen, wenn Kinder nach Ostereiern suchen und die christliche Kleinstadt-Gemeinde die Auferstehung Christi feiert, zeugt von einem ziemlich bissigen schwarzen Humor. »Critters 2« ist mehr noch als sein Vorgänger eine als absurdes SciFi-Horror-Spektakel maskierte Satire auf den »American way of life« an sich. Nicht zufällig zieht es die gefräßigen Fellbälle in ein mit einem ziemlich enervierenden Song beworbenes Fast-Food-Restaurant und später dann in eine riesige Fleischfabrik. Im unersättlichen Hunger der Aliens spiegelt sich die Gier der Menschen. Die Autoren David Twohy und Mick Garris nehmen hier die Doppelmoral und die Selbstzufriedenheit der amerikanischen Gesellschaft ebenso ins Visier wie die Kopfgeldjäger die Critters. Und am Ende ist es dann der von Don Opper gespielte Außenseiter, der die rettet, die ihn immer verlacht und gedemütigt haben.